Alfons Fejzullahu, einer von Wiens Konzertkartenverkäufer im Mozartlook, über Verkaufstaktiken, Nationalitäten und das, was Touristinnen wirklich wollen.
Wie bringt man Touristen dazu Produkte, wie in Ihrem Fall Konzertkarten, auf der Straße zu kaufen?
Bei 70 % der Menschen, die etwas kaufen, kommt die Entscheidung aus dem Gefühl heraus. Das heißt meine Aufgabe besteht darin, mich innerhalb von fünf Minuten mit den Passanten anzufreunden. Sie müssen mir für diese kurze Zeit vertrauen. Alles was ich ihnen sage, muss auch genauso stimmen.
Mein Job ist es auch, Leute zu durchschauen. Ich stehe auf der Straße und schaue jeden ins Gesicht. Dann muss ich erkennen: Will er eine Karte oder nicht? Also selektiere ich bewusst. Nach einer Weile lernt man die Leute schon vom Gesicht her einzuschätzen.
Was macht Sie zu einem guten Verkäufer?
Verkaufen ist ein bisschen, wie eine Frau aufzureißen. Das ist wirklich sehr ähnlich. Man muss sein Ego immer tief halten, das ist sehr wichtig.
Man muss vor allem charmant sein, Spaß mit den Touristen haben. Ehrlich gesagt kann man viele blöde Sachen erzählen oder machen. Es ist nicht wirklich interessant was du sagst, sondern wie das rüberkommt. Als Verkäufer muss man wissen, wie die Leute sind. Nach einer Weile, wenn man diese Arbeit schon etwas länger gemacht hat, versteht man sie.
Sind es Ältere, geht man mit ihnen formaler um, sind es junge Mädels, kann man auch gerne ein bisschen flirten, ein bisschen Spaß machen. Am Ende kaufen sie die Karte, und am Abend geht man mit ihnen aus. Das ist gar nicht so schlecht.
Gibt es Unterschiede zwischen Touristen verschiedener Nationen?
Ja, selbstverständlich. Alle Nationen ticken ein bisschen anders. Bei Deutschen ist man etwas korrekter, ernster. Spanier sind lockerer, mit denen kann man Spaß haben. Russen geht es immer um das Prestige. Sie wollen und können sich viel leisten und kaufen natürlich auch immer die besten Karten.
Ich spreche viele Sprachen: Englisch, Französisch, Russisch, Spanisch und Italienisch – kaum eine davon perfekt, aber trotzdem freuen sich die Touristen, wenn man sich wenigstens bemüht, ihre Sprache zu sprechen. Das haben alle Nationen gemeinsam.
Wie viele Menschen kaufen wirklich Ihre Konzertkarten und wie teuer sind die Karten überhaupt?
Wenn ich 1000 Leute anspreche, halten nur 300 an, um mit mir zu reden. Von denen kaufen vielleicht 20 Konzertkarten um einen Betrag von € 39,00 bis € 89,00. Das ist nicht viel, aber es zahlt sich aus.
Das heißt Sie werden oft abgewiesen. Wie geht man damit um?
Man darf nicht aufgeben, wenn jemand „Nein“ sagt. Nur weil jemand verneint, heißt das noch lange nicht, dass es nicht geht.
Meistens sagen Leute „nein“, weil sie nicht genau wissen, was und wie das ist, was ihnen angeboten wurde. Da muss man ein bisschen erklären und den Bezug zu den Menschen über ein anderes Thema aufbauen. Einfach ein bisschen labern. So kommt man wieder zum Thema, also zu dem Konzert, zurück.
Wie hat Sie diese Arbeit verändert?
Diese Arbeit verändert den Charakter sehr. Man wird viel selbstbewusster, bei allen Dingen. Man wird lockerer und geht leichter auf Menschen zu. Aber dieser Job nimmt auch sehr viel Zeit in Anspruch und ist anstrengend, weil man immer konzentriert sein muss und oft in der Hitze und Kälte steht.
Passt Mozart überhaupt zu Wien? Würde er in Salzburg nicht mehr Sinn machen?
Dass Mozart aus Salzburg kommt wissen viele Touristen nicht. Die haben keine Ahnung davon, wo Mozart gelebt hat, wann er was gemacht hat. Sie haben ein Bild von der Stadt und wollen es bestätigt bekommen, und es nicht hinterfragen.
Wollen Touristen also gar nicht das echte Wien kennen lernen?
Ich weiß sehr viel über die historische Kultur von Wien, das ist auch ganz wichtig in meinem Beruf, denn das interessiert die Touristen sehr. Das ist ein Teil vom echten Wien. Natürlich ist es auch interessant, wie es aktuell aussieht, aber das ist nicht das, was eine Stadt wie Wien für Touristen ausmacht. Sie sind oberflächlich und gehen nicht auf Spezifisches ein. Touristen ist es egal, wie Wien wirklich ist.
Welche Situationen passieren Ihnen öfter?
Sehr oft bekomme ich Jobs angeboten. Noch öfter bekomme ich von genervten Wienern (zurecht genervt – wir können schon ziemlich anstrengend sein) eine Antwort, die extra im tiefsten Dialekt formuliert wird.
Am häufigsten bekomme ich aber sexuelle Angebote von Touristinnen, die nur für kurze Zeit in Wien sind. Bei meiner Arbeit dreht sich alles um das Eine – wir sind in Wien und Sigmund Freud ist überall.
Gibt es auch weibliche Mozart-Straßenverkäuferinnen?
Ja, natürlich gibt es auch Frauen bei uns. Die sind meistens noch bessere Verkäuferinnen. Wir hatte eine, die war die beste
Kartenverkäuferin auf der Straße. Man hat sich wirklich ein Beispiel an ihr nehmen können. Sie hatte sehr viel Charme und konnte wirklich gut mit Menschen umgehen.
Lügen Sie Touristen an?
Die Leute werden von uns nicht angelogen, das wäre strafbar. Was viele Verkäufer aber machen ist „verschönern“. Das ist normal – das macht jeder.
Aber das Konzert ist wunderschön und die Leute haben im Endeffekt alle Spaß und gehen mit einem Lächeln nach Hause. Das ist sehr wichtig.
Alfons Fejzullahu (20) kommt aus dem Kosovo und lebt seit sechs Jahren in Wien. Er hat hier maturiert und studiert gerade Wirtschaftsrecht auf der WU Wien. Nebenbei arbeitet er regelmäßig als Straßenverkäufer von Tickets für Mozartkonzerte.
Photos by Tobias Holub